2 Jahre MS-Jubiläum

Am Mittwoch 13.03.2013 bekam ich meine MS-Diagnose.
Ich war 33 Jahre alt.
Papst Franziskus wurde gewählt.
Sonde bestätigt Bedingungen für Leben, Erfolg auf dem Mars.

Am Freitag, 13.03.2015 habe ich mein 2-Jähriges Jubiläum gefeiert

Apero

und einen wunderschönen Blumenstrauss vom Mann bekommen.

Blumen

Am 13.03.2013 mein Neurologe den 80% Verdacht auf Multiple Sklerosee geäussert und der Untersuchungsmarathon begann mit Blutwerte/Gerinnung überprüfen, MRI vom Gehirn und Wirbelsäule, Lumbalpunktion, 48 Std. liegen und 6 Liter Wasser trinken.

Noch am Abend nach der Lumbalpuktion rief der Neurologe an und bestätigte die MS-Diagnose. Dann drehte das Gesundheits/Krankheits-Karussell weiter: 3xKortisoninfusionen, höllische Kopfschmerzen, Anfang mit Copaxonespritzen, nach 6 Monaten MRI, 2x anaphylaktischer Schock, nach 1 Jahr Copaxone absetzen, nochmals MRI, Aubagio anfangen, unzählige Neurologenbesuche, ca. 3 Liter abgezapftes Blut, ca. 45 Physiotermine, 1x Verdacht auf neuen Schub, letztes MRI Oktober 2014 usw.

Ich kann mich noch ganz genau an diesen Anfang erinnern. Mein Mann und ich waren damals, als ich den Verdacht auf MS bekam, eigentlich zuerst nur geschockt. Diese Nacht habe ich durchgeweint. Der Mann machte schon Umbaupläne für ein rollstuhlgängiges Haus. Am nächsten Tag wachte ich auf und da war auch schon dieser Drang fürs überleben und glücklich sein. Irgendwie war ich auch erleichtert, endlich zu wissen, warum es mir in den letzten Jahren so schlecht ging. Ich war nicht verrückt.

Meine Kinder waren damals 6- und 4 Jahre alt und ich hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen. Ich war sehr traurig, dass sie eine kranke Mutter haben werden. Bevor überhaupt was passierte, hatte ich auch schon unglaubliche Schuldgefühle. Ich war sehr aufgewühlt. Wie lange werde ich mit meinen Jungs Ausflüge unternehmen können? Fussball spielen? Fahrrad fahren? Werden sie ihren Freunden irgendwann erzählen, dass das bei uns zu Hause so gemacht wird, weil die Mama halt krank ist? Oder, dass sie etwas nicht haben, weil die Mutter krank ist. Der Gedanke, meine Kinder könnten unter meiner Krankheit leiden, war überhaupt das Schlimmste an dieser Diagnose. Danach bekam ich Schuldgefühle meinem Mann gegenüber. Er hat ganz offensichtlich eine ziemliche Occasion geheiratet. Ich hatte sogar meinen Eltern gegenüber ein schlechtes Gewissen, als ich ihnen von der Diagnose erzählte. Nichts konnte mein Leben mehr erschüttern, als eben dieser Gedanke, dass meine Kinder darunter leiden könnten und ich ihnen nicht gerecht werden könnte.

Die meiste Zeit nach der Diagnose habe ich mir um alle anderen um mich herum Sorgen gemacht. Mich selber habe ich nie, oder nur in seltenen Momenten bemitleidet. Ich hatte nie Angst um mich selber, dafür habe ich zu viel erlebt und durchgestanden. Daher kommt mein unerschütterlicher Kämpfergeist. Ich weiss, egal wie schlecht es mir geht, ich werde das Beste für mich daraus ziehen. Trotzdem hatte auch ich den einen oder anderen Moment, in denen die bösen, dunklen Zweifel kamen. Trotzdem weiss ich immer, es kommt ein neuer Tag und der neue Tag bringt vielleicht auch Sonne mit.

In diesen vergangen zwei Jahren drehte sich die Welt trotzdem weiter…
Nach zwei Jahren schreibt z.B. ein Porsche Panamera einen Wertverlust von 48.5%5
22 Monate dauert eine Elefantenschwangerschaft…

…und die Erde dreht sich weiter.

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Meine Söhne sind jetzt 8 und 6 Jahre alt. Der Grosse kommt im Sommer in die dritte Klasse und der Kleine wird in die erste klasse eingeschult. Welche Entwicklungsschritte sie gemacht haben, kann ich gar nicht aufschreiben, das würde den Rahmen hier sprengen und dem Leser würde vermutlich das Gesicht einschlafen (hohoho…kleiner Wink). Was ich aber sagen kann, es hat meinen Kindern bisher viel weniger geschadet als ich vermutet habe. Sie sind sehr empathisch und fragen manchmal, ob ich so müde bin wegen der MS. Als ich durch Medikamente viele Nebenwirkungen hatte, haben sie mir Kräuter gesammelt und behauptet, diese würden mir helfen. Sie hatten vor, wenn sie gross sind, etwas gegen die MS zu erfinden und diese zu heilen. Natürlich haben sie mit mir auch diese Tage durchgemacht, an denen ich so müde und erschöpft war und vor lauter Müdigkeit sie angeschnauzt habe, endlich ruhig zu sein. Sie spüren auch meine Gereiztheit oder schlechte Launen. Aber wäre ich wirklich anders ohne diese Krankheit, geduldiger? Was ist eine perfekte Mutter?

Nach etlichen Nebenwirkungen habe ich im Herbst 2014 alle Medikamente abgesetzt. Was soll ich sagen? Ich möchte mich als Glückskind bezeichnen. Mit meinen Wehwechen komme ich grundsätzlich ganz gut klar. Sicherlich wäre ich lieber gesund, aber wenn es so bleibt, dann könnte ich sehr gut damit leben. Es ist schwierig jemanden, der gesund ist, sowas zu erklären. Mit MS wacht man jeden Morgen auf und hat irgend was. Vielleicht sind die Finger taub, der Fuss kribbelt, das Gesicht fühlt sich taub an, die Muskelverspannungen nerven, die Spastiken in der Wirbelsäule sind lästig usw. Ich registriere es und versuche das dann weiter ziehen zu lassen. Es ist nicht einfach, an einem Symptom nicht zu verzweifeln. Einerseits möchte ich nicht, dass meine täglichen Symptome dauerpräsent sind und andererseits möchte ich nicht, einen allfällig neuen Schub verpassen. Die MS ist tückisch und unberechenbar.

In den letzten zwei Jahren ist viel passiert. Ich habe gelernt, den Alltag viel bewusster zu leben. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass ich durch die Fatigue manchmal so kommatös müde bin und trotzdem nicht einschlafen kann. Ich habe gelernt, auf die Zeichen meines Körpers zu hören. Ich versuche mich in Gelassenheit zu üben. Ich habe akzeptiert, dass psychischer Stress, mir nicht gut tut und ich mich davor schützen muss. Ich habe akzeptiert, dass das Leben nicht planbar ist. Ich mache freiwillig Sport und versuche auf meine Ernährung zu achten. Meine Schuldgefühle sind weniger geworden.

Im Endeffekt hat mir die Diagnose mein Leben viel bewusster werden lassen. Es ist anstrengend und es wäre so einfach aufzugeben, den Tag im Bett zu verbringen und sich heulend zu bemitleiden. Ich denke, ich habe in den letzten zwei Jahren vieles geändert und obwohl ich keine Medikamente mehr nehme, habe ich das Gefühl, viel gegen die MS zu machen und das gibt mir Kraft, weiter zu machen und den Weg so weiter zu gehen.

Ich bin sehr dankbar für das Verständnis meines Mannes, für die wundervollen Gesten meiner Söhne und die tollen Freunde und Familie, die ich habe. Ich bin auch sehr froh, mit diesem Blog angefangen zu haben.

Jetzt heisst es, auf ins nächste, schubfreie MS-Jahr!

Netts

Vielen Dank fürs Lesen ❤

PS: tapfer bleiben

8 Gedanken zu „2 Jahre MS-Jubiläum

  1. Pingback: Wochenrückblick 28.03.2015 | staublos

  2. Ich sitze hier und habe Tränen in den Augen! Denn in allem was du geschrieben hast erkenne ich mich zu 100% wieder.Und es tut unheimlich gut sich so „seelenverwandt“ zu fühlen und zu wissen man ist nicht alleine! Ich wünsche dir weiterhin alles Liebe und Gute
    Du rockst das Ding!!
    Liebe Grüßle aus Franken
    Melanie

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    • Liebe Melanie!
      Vielen lieben Dank für deinen lieben Kommentar! Genau aus diesem Grund habe ich mit diesem Blog angefangen! Es tut so gut zu sehen, dass man nicht alleine ist mit solchen Gedanken und es ist beruhigend, wenn es anderen gleich geht! Danke nochmals!
      Dir auch alles alles gute!
      Liebe Grüsse ❤

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  3. Katarina du schreibst mir aus der Seele…..was Mann und kinder betrifft…….ich könnte es nicht treffender sagen…..Dir alles,alles gute…..

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    • Liebe Susanne
      Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Ich freue mich sehr, dass ich mit diesem Blohpost offenbar ins Schwarze getroffen habe. Es geht uns vielen genau gleich!
      Auch dir weiterhin alles gute!
      Liebe Grüsse ❤

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