Weg zur Diagnose

2011 Grippe: diese hält verdächtig lange an. An Auskurieren mit zwei kleinen Kindern nicht zu denken. Jedenfalls habe ich ständig Fieber, dazu kommt Herz-Rasen-Stolpern und diese Erschöpfung. Erster Hausarztbesuch mit anschliessendem EKG. Alles unauffällig, ist ja nur eine Grippe.

Von dieser Grippe habe ich mich nie wieder erholt. Jeden Tag wache ich auf und habe ein anderes Problem. Nach Wochen besuche ich den Arzt1 wieder. Er ist ratlos und bemerkt, dass ich nun als Mutter und Hausfrau vielleicht unterfordert sei und das auf meine Psyche schlägt. Sagen wir‘s mal so, ich habe gar keine Psyche. Dazu verschreibt er mir Atemtherapie/Physio wegen der Herzgeschichte.

Ich wechsle den Arzt nachdem ich starke Schulterverspannungen und Rückenschmerzen habe. Während dieser Arzt2  meinen Rücken untersucht, erwähne ich die Grippe und die Symptome, die nie wieder besser wurden. Er findet meine operierte Hüftdysplasie sehr spannend, aber diese Symptome wären schon sehr verdächtig. Vor allem die taube Stelle der Wirbelsäule entlang. Aber da ich jetzt nicht mehr arbeite und Hausfrau und Mutter bin, geht er davon aus, dass ich unterfordert bin und empfiehlt mir Antidepressiva. Ich gebe auf, zweifle an mir und nehme die Antidepressiva. Nach 2 Tagen muss ich beim Notdienst anrufen, weil ich eine ausgewachsene Panikattacke mit Muskelkrämpfen und Spastiken habe. Erneuter Arztbesuch nur damit er behauptet, ich hätte mich vom Beipackzettel (den ich bewusst nicht gelesen habe) beeinflussen lassen.

Ich wechsle zum Arzt3. Dazu kommen noch mehr neue Symptome. Die überweist mich zum HNO4 und auch dieser findet keine Erklärung. Auch nicht für den Tinnitus und das Augenlidzucken. Die Ärztin überweist mich zu einer Neurologin5. Neurologin befragt mich und ist nicht sonderlich aktiv was Lösungssuche betrifft. Sie findet einen Karpaltunnelvorfall und bemerkt, dass eine Stromuntersuchung und MRI vermutlich angezeigt wären.

MRI wird gemacht und der Befund ist unauffällig. Kein Tumor am Gleichgewichtsorgan.

Mittlerweile habe ich Gesichtslähmungen, Tinnitus, taube Stellen am Rücken, Schwindelanfälle, Schweissausbrüche nachts, diese unendliche Erschöpfung, habe 8 kg abgenommen und muss Hosen in Grösse 34 kaufen. Ich versuche zu funktionieren weil ich ja noch meine zwei kleinen Kinder habe und von 6.30h bis 18.00h durchhalten muss bis mein Mann jeweils nach Hause kommt.

Kurz vor den Sommerferien. Es ist schön warm und für mich die Hölle. Jetzt weiss ich auch warum. Ich breche fast zusammen weil meine Gesichtshälfte taub ist und mein Drehschwindel nicht auszuhalten. Notfall6. Nach neurologischer Untersuchung gehe ich nach Hause. Kein Schlaganfall. Vermutlich ist es einfach nur ein Burnout. In den Ferien am Strand fühle ich mich unendlich unwohl. Wenn ich ins kalte Meerwasser gehe, brennen meine Füsse und Hände. Wenn ich mich eins der Kinder beim Toben irgendwo am Körper erwischt, tut es unnatürlich lange und stark weh. Ich sage noch zu meinem Mann, dass doch mit meinen Nerven was nicht stimmte.

Mittlerweile haben wir 2012 und ich suche einen neuen Arzt7 auf. Dieser erzählt mir etwas über Dr. Freud und seine Forschung! Ich verzweifle.

Mein rechter Arm wird taub und ich kann ihn nicht gut bewegen. Ich gehe zu einem anderen Arzt8. Dieser steckt mir Nadeln ins Bein, die ich nicht spüre. Er nimmt zwischendurch noch ein Telefongespräch an und verabredet sich zum Golf. Er hat keine Ahnung. Vielleicht bin ich depressiv oder es kommt von meiner operierten Hüfte. Er empfiehlt Physio. Ich geh nicht hin.

2013 und mein Arm und mein Fuss sind taub. Ich gehe wieder in die letzte Praxis aber der Arzt ist in den Ferien und ich komme zu seiner Vertretung9. Er hört mir zu, steckt Nadeln in mein Bein und ist ratlos. Er sagt, ich müsse unbedingt zu einem Neurologen10 und ordnet noch zusätzliche Blutuntersuchungen an.

Ich habe also 10 Ärzte besucht, bis einer die richtigen Untersuchungen gemacht hat und rausgefunden hat, dass es MS ist und ich weder depressiv noch sonst wie durchgedreht bin.

9 Gedanken zu „Weg zur Diagnose

  1. Ich bin gerade noch in der Diagnosefindungsphase. Immer noch klinisch isoliertes Syndrom 🙄. Dein Blog beschreibt 1zu 1 meine Situation. Zweifel an sich selbst, Hypochonder? Es ist verflixt. Danke für deine detaillierten Beschreibungen. Bin gerade wieder ziemlich down und jetzt gehts mir zumindest rein mental etwas.besser. LG Mandy

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    • Liebe Mandy

      Tut mir leid das zu lesen. Ja, diese Zeit ist sehr anstrengend. Deshalb empfand ich meine Diagnose damals fast schon wie eine Befreiung – es hatte einen Namen!
      Ich hoffe, dass sich bei dir alles noch zum Guten wendet und es dir bald wieder besser geht!

      Liebe Grüsse
      Katarina

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  2. Pingback: Wochenrückblick 07.01.2017 | staublos

  3. ein auf und ab… Das Kortison hat wenigstens die Rückenschmerzen fast komplett geschlagen, aber seither schlafe ich noch immer schlecht. Höllenzeugs. Sicher auch das Kopfkarussel, das erst langsam zu drehen aufhört. Ich bin froh wenn ich aufstehen muss:-) und dass ich das mal sage kann ich selber kaum glauben. Wenn die Angst als Grundgefühl, vor was kommt als nächstes, wann, auch in die Schranken gewiesen habe dann komm ich klar, glaub;-)
    Ich finde viele deiner Gedanken sehr motivierend und ich will echt nicht das MS mein Leben bestimmt! Das sollen weiterhin meine Kinder:-D
    Machs Gut

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    • Liebe Manuela
      Ich kenne das was du schreibst ganz genau! Diese Gefühle sind doch völlig normal. So wie es tönt, bist du sicherlich auf einem guten Weg, deinen Umgang mit DEINER MS in den Griff zu bekommen. Du musst dir einfach Zeit lassen und geduldig sein.
      Ich wünsche dir viel Kraft und alles Gute!
      Liebe Grüsse, Katarina

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  4. der pure Wahnsinn deine Odyssee!
    ich hätte auch gedacht das irgendeiner mal den Nerv gehabt hätte einige Tests ins Blaue zu machen, als an ein Burnout zu denken!

    Bei mir war es wohl genau das Gegenteil. Wegen heftigen Rückenschmerzen und unerklärlich tauber Stelle an der Wirbelsäule – die ich genauso wie die immermal wieder eingeschlafenden Finger – unter wird schon wieder abgetan habe, schlimmstenfalls eine Diskushernie – suchte ich den Arzt auf. Er wollte kein MRI, da nur muskuläre Verspannung. Hatte grad meinen Sohn mitdabei, der ist ja dann auch die Ursache des Problems, das tragen. Aha. Physio macht aber nix an meinem Rüchen mehr rum, wenn nicht klar ist, ob nicht doch DH. Dann doch MRI. Dann der mutiger Radiologe – der stellte bereits die Verdachtsddiagnose MS- und traf mich voll auf dem falschen Fuss;-/ nun seit zwei Wochen bestätigt. jetzt weiss ich es und hätte es schon selber wissen können, seit längerem. Arbeite seti über zehn Jahren im Fachgebiet der Neurologie, früher auch mit MS Betroffenen. Ich hatte ein veraltetes Bild in mir, aber MS hat so viele Gesichter, das meins nicht passte. Weil ich von diesen Symptomen und anderen unzähligen von betroffenen beschriebenen erst jetzt höre, lese – und ich weiss nun das ich sie mir nicht einbilde. Danke für diesen Blog.

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    • Hallihallo!

      Ja, ich hab auch immer versucht all die Sachen mit irgendwas zu erklären. Da ich eine Hüftfehlstellung habe und dadurch Rückenprobleme ja vorprogrammiert sind, habe ich auch meine tauben Finger darauf geschoben….

      Wie kommst du mit der Diagnose klar, jetzt wo du weisst, was es ist?

      Alles Liebe und Gute und herzliche Grüsse
      Katarina

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  5. Es ist wirklich ein Jammer, dass wir in unserer hochtechnologisierten Zeit nicht mehr drauf haben und der Patient selbst an sich zweifeln muss. Das tut direkt weh zu lesen. Ich hoffe, du bist nun ärztlich gut aufgehoben. Alles alles Gute.

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    • Es war wirklich unglaublich. Als ich meinen Neuro fragte, was ich falsch gemacht habe, dass mich keiner ernst genommen hat. Er antwortete mir, ich hätte mich leider nicht weinend auf den Boden geworfen und sei vermutlich zu selbstbewusst gewesen! Sachen gibt’s…
      Danke dir! ❤

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