MS goes to…? Hollywood!
In den letzten Tagen nach der Oscar Verleihung, sehe ich auf allen meinen Social Media Kanälen das Bild von Selma Blair.
Selma Blair, 46, ist US-Schauspielerin, bekannt u.a. aus dem Film „Eiskalte Engel“ sie ist Mutter und seit 2018 weiss sie von ihrer MS-Erkrankung.
Ganz viele Onlinemedien zeigten das Bild von Selma Blair auf dem roten Teppich der Vatinty Fair Oscarparty. In einem bezauberndem Kleid. Mit einem Gehstock.
Sie posiert für die Fotografen und gibt sich sehr professionell. So, wie es vermutlich von einer Schauspielerin auf dem roten Teppich auch erwartet wird. Und, sie ist ein Profi.
Doch plötzlich fängt sie an zu weinen.
Ihr Gang scheint nicht so geschmeidig. Und da ist auch noch der Gehstock. Übrigens, ein Gehstock, der für sie extra aufgepimpt wurde, mit einem rosa Diamant und mit Leder überzogen.
Sie zeigt gleichzeitig eine extreme Stärke sowie auch eine zarte Verletzlichkeit. Sie fängt sich wieder unter Klatschen der Fotografen, trocknet ihre Tränen. Das Blitzlichtgewitter geht weiter. Ihr Manager steht ihr zur Seite, mal mit der Hand als Stütze oder beim Tränen abwischen.
Was Selma Blair in diesem Moment fühlt, können wir vermutlich nur erahnen. Schliesslich stehen wir nicht auf dem roten Teppich einer Oscar Party und posieren mit dem Gefühl, nicht Herrin über den eigenen Körper zu sein. Zu wissen, dass wir keinen stabilen Schritt machen können. Ausgeliefert allen Kameras. Ihre Körperhaltung ist trotzdem stolz!
Die MS Diagnose bekam sie im August 2018
Nach den Oscars gibt Selma Blair ein Interview bei *Good morning America, Selma Blair* und zwar, als sie noch einen aktiven MS-Schub hat. Sie hat momentan u.a. mit spasmodic dysphonia zu kämpfen. Die spasmodische Dysphonie ist ein Sprechkrampf, eine neurologische Erkrankung und bei ihr eine Folge der MS. Ihre Sprache ist nicht im Fluss, manchmal sucht sie nach Wörtern und tönt halt einfach nicht ok.. Was das für eine Schauspielerin bedeuten muss, kann ich auch wieder nur erahnen.
STOP!
„There’s no tragedy for me. I’m happy and if I can help anyone be more comfortable in their skin, it’s more than I’ve ever done before.“ (Selma Blair to Vanity Fair)
(„Es gibt keine Tragödie für mich. Ich bin glücklich und wenn ich jemandem helfen kann, sich in seiner Haut wohler zu fühlen, ist es mehr als je zuvor.“ (Selma Blair zu Vanity Fair))
Im Interview spricht sie über ihre Diagnose. Wie sie die Ärzte nicht ernst genommen haben und sie ständig zu hören bekam, sie sei halt alleinerziehend, hätte vielleicht finanzielle Probleme, blah blah blah und sie macht diese Handbewegung und ich denke:
„ich weiss ganz genau wovon du sprichst, Schwesta!“
Sie spricht über die unvorstellbare Erschöpfung und wie sie ihren Sohn nur 1.5km zur Schule fährt, auf dem Rückweg anhalten muss um ein Nickerchen einzulegen weil sie einfach so müde ist. Sie sagt, sie sei gestorben daran. Dass sie ständig komische Sachen machte, hinfiel, ihr Gedächtnis nicht mehr funktionierte und niemand nahm sie ernst. Sie geht davon aus, bereits mindestens seit 15 Jahren an MS zu leiden ohne es gewusst zu haben. Sie könne in der Nacht nicht schlafen, sei aber den ganzen Tag erschöpft – oh ja, davon könnte ich ganze Nächte lang schreiben…
Nach der Diagnose war sie erleichtert. Klar habe sie geweint bei dem Gedanken, was sie verloren habe. Aber endlich zu wissen, was sie hat, das hätte sie erleichtert.
Ihr Sohn (7) wollte wissen ob sie an MS stirbt. Sie habe ihm erklärt, dass man an vielen verschiedenen Sachen sterben kann, aber ihr Arzt hätte nichts davon über MS gesagt. An MS würde sie vermutlich nicht sterben. Und seine Antwort war: „hmmm Ok.“ und das sei es gewesen.
Sie erzählt so viel, was mir persönlich so bekannt ist. Es fühlt sich so an, als ob sie meine Geschichte erzählt. Über die Erleichterung, endlich Bescheid zu wissen. Über das schlechte Gewissen, den Kindern gegenüber. Über den Verlust der Gesundheit. Über so, so vieles.
Ich persönlich finde es unglaublich toll, dass sie MS so öffentlich gemacht hat. Sie zeigt MS wie sie ist. Sie dramatisiert nicht künstlich. Es ist nicht einfach damit zu leben aber man kann versuchen, das Beste daraus zu machen.
Das Interview finde ich sehr bewegend. Es zeigt in meinen Augen genau dieses Bild! Nicht das, was man sonst in den Medien sieht. Auch wenn ihr Verlauf aggressiv zu sein scheint, macht sie kein künstliches Drama daraus um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es geht nicht darum immer die ganz bösen und schlimmen Verläufe zu zeigen mit Menschen, die bitte möglichst behindert aussehen müssen. Mir persönlich wurde schon mal gesagt, dass man eben solche „schlimmen Fälle“ zeigen muss, man sei schliesslich auf Spenden angewiesen! Ohne sich Gedanken über Menschen zu machen die vielleicht gerade eben die Diagnose gestellt bekommen haben.
Ich finde die Art und Weise wie Selma Blair sich gezeigt hat, sehr bewegend. Es ist einerseits erschreckend und man möchte vielleicht wegsehen oder dass Interview stoppen – aus Mitleid? Und andererseits ist sie so unglaublich cool und stark, dass man das Gefühl bekommt, sie wird sich ihr Leben nicht davon vermiesen lassen.
Und jetzt würde es mich sehr wundern, wie meine Leser dazu stehen? Auf Instagram habe ich bereits eine Umfrage gemacht „findest du den Umgang in der Öffentlichkeit mit MS von Selma Blair gut?“ und da wurde mit 94% Ja (sie finden es gut) und 6% NEIN (sie finden es nicht gut) abgestimmt.
Auch wenn der Auftritt zur Zeit sicherlich kommerziell ausgeschlachtet wird und die Dramatik sich nicht von der Hand weisen lässt, ich finde es toll! Sie ist eine Schauspielerin deren Job es ist, etwas zu repräsentieren, vorzuspielen und zu verkaufen. Sie gehört zu einer Glamourwelt in Hollywood und sie hat MS. Sie hat Killerheals mit mindestens 12cm Absatz an und spaziert mit ihnen trotz Spastik und tauben Bein im Garten herum. Vermutlich ist sie nach dem Dreh dermassen erschöpft, dass sie keinen klaren Gedanken fassen kann. Aber hej, sie hat den Auftritt mit Stolz gerockt und das gefällt mir sehr. Sie ist behindert und sie ist trotzdem wunderschön! Ich habe mich so satt gesehen an den „schlimmen Bildern“ von MS Betroffenen und schätze einen solchen Auftritt sehr, denn, sie macht mir persönlich hundert Mal mehr Mut und nicht einfach nur Angst.
❤
Hier geht es nochmals zum Interview „Good morning america, Selma Blair, MS“