Herausforderung oder Prüfung des Lebens

Heute war ich wieder beim Neurologen. Ich habe die dritte Packung meiner Medikamente abgeholt. Als ich rein gekommen bin, sagte er kurz, er müsse für 5min. weg, aber die Medikamentenschränke seien denn abgeschlossen. Irgendwie mag ich seinen Humor!

Jedenfalls habe ich ihm von meinen Leiden in den Tagen seit dem letzten Treffen erzählt und wir haben uns darauf geeinigt, dass es wohl zu 70% MS-Schub ist. Wir werden im Juni noch ein MRI machen, um feststellen zu können, ob der Schaden noch immer sichtbar ist und entscheiden, ob dieses Medikament etwas nützt oder vielleicht doch nicht.

Er hat dann auf mich eingeredet und hat meine Einstellung zu dieser Krankheit wieder in Frage gestellt. Aber was soll ich machen, ich bin positiv eingestellt und ich verbiege mir meine Probleme so, dass es immer einen erträglichen Ausgang gibt. Ich kann nicht einfach aufgeben und mich als krank bezeichnen. Es stört mich, dass in diesem letzten Jahr keine wirkliche Besserung eingetreten ist. Ich hätte so gerne die Therapie vertragen und habe gehofft, dass sich alles innerhalb eines Jahres einpendelt und ich einfach weiterleben könnte als ob nichts wäre. Natürlich ist das naiv und blauäugig aber ich kann mich einfach nicht ergeben.

Neuro erwartet von mir, dass ich meinen Alltag um diese Krankheit herum aufbaue und mir Täglich 1-2 Stunden Zeit nur für mich und den Körper nehme. Sei es in Form von Sport, Physiotherapie oder sonst welchen Entspannungsübungen. Für mich ist das mit meinem Leben nicht zu vereinbaren. Es wirft alle meine Pläne über den Haufen. Jetzt da der kleine Sohn Vormittags im Kindergarten ist, habe ich mir vorgestellt, wieder in den Beruf einzusteigen. Ich möchte so gerne arbeiten. Nicht aus finanzieller Not sondern für mich. Das war mein Plan. Der Neuro meint, ich soll mir das abschminken und damit rechnen, dass ich evtl. erst in 10 Jahren arbeiten gehen kann. Das ist doch einfach nur Scheisse! Wie soll ich lernen, mich dieser Krankheit zu ergeben? In mir breitet sich nur noch das Gefühl des Versagens aus. Ich muss jetzt schon wieder neue Pläne machen und darauf hab ich einfach kein Bock.

Du siehst gar nicht krank aus.

Da ist wieder dieser Satz. Ich möchte auch so leben als ob ich nicht krank wäre. Muss ich ständig erwähnen, dass ich krank bin? Wie ist es krank zu sein? Wie fühlt sich das an? Man wird doch nach jeder Krankheit wieder gesund. Warum muss es ausgerechnet etwas unheilbares sein? Etwas das heimtückisch sich irgendwo im Körper versteckt und dir jeder Zeit den Teppich unter den Füssen reissen kann.

Warum?

Der Neuro sagt, ich sei ein extrem leistungsorientierter Mensch. Ich müsse zulassen, nicht mehr im gleichen Maas belastbar zu sein. Leider kann ich das nicht mit einem Schalter einfach abstellen. Will ich das überhaupt? Wenn man 35 Jahre mit einer gewissen Einstellung durchs Leben gegangen ist und davon überzeugt war, kann man einfach das Gegenteil leben? Wird man dabei überhaupt zufrieden sein, wenn man sich nicht aus freien Stücken ändern muss.

Irgendwie ist das wieder eine grosse Prüfung meines Lebens. Ich muss etwas ändern und einen Weg einschlagen, der bisher nicht in meine Lebensart gepasst hat.

Trotzdem kann ich nicht einfach aufgeben und dieser blöden Krankheit die Überhand lassen. Irgendwie muss ich einen Mittelweg und eine neue Strategie finden. Jedenfalls muss ich lernen und akzeptieren, dass es nie wieder so sein wird wie Früher. Wie man aus meinen letzten Berichten erkennen kann, hat mich das schon die letzten Tage beschäftigt.

Vielen Dank fürs Lesen! Ich freue mich wirklich, dass Täglich so viele hier reinschauen. Ihr dürft mir gerne Kommentare oder Meinungen dazu schreiben, ich freue mich darüber.

Ich will feiern

Manchmal wünsche ich mir mein altes Leben zurück. Nicht dieses kurz vor der Diagnose, nein, ich will so richtig lange zurück. Als alles noch ’normal‘ war. Leider kann ich mich an dieses Gefühl garnicht mehr so richtig erinnern. Jedenfalls hätte ich diese Unbeschwertheit zurück. Vermutlich war ich aber schon als Kind nie unbeschwert. Etwas mehr Freiheit in der Lebensplanung. Etwas mehr Spontanität. Manchmal habe ich wirklich die Schnauze voll, stets im Voraus alles planen zu müssen. Schon ein einfaches Picknick saugt viel von mir aus, so dass ich am Ende völlig erledigt bin.

Heute hat mich eine Schulfreundin besucht. Es war sehr schön, sie wieder zu sehen. Irgendwie ist so ein Treffen auch sowas wie eine Reise in die Vergangenheit. Obwohl ich nie der Vergangenheit nachtrauere und auch niemals zurückreisen würde. Das tönt schon billig wie diese alte Brillenwerbung. Aber Scheisse, was bringt die Zukunft?

Auch wenn ich es manchmal nicht zugeben möchte, es schränkt mich in vielen Momenten ein und ich hasse es!

Vorhin wollte ich mich mit einer Freundin für ein Treffen verabreden und sie machte den Vorschlag, dass wir doch mal für einen Tag untertauchen sollten. Ohne Ende trinken, rauchen und quatschen.

Verdammt, ja! Ich kann nichtmal mehr sowas durchziehen! Bin nach zwei Prosecco einfach fertig. Futsch. Kommatös…

…ach verdammt, manchmal wünsch ich mir, eben doch für einen Tag zurückreisen zu können.